Mythos Konkurrenz: Warum nur Kooperation uns weiterbringt
»Comparison is the thief of joy.«
Theodore Roosevelt
Inhalt
1. Warum ist Konkurrenzdenken so ausgeprägt?
3. Kooperation statt Konkurrenz – Erfolg braucht viele Kompetenzen
5. Authentisch sein und anderen Erfolge gönnen
6. Nicht andere übertrumpfen, sondern den eigenen Weg gehen
7. Sich selbst treu sein, auf sich achten und negative Emotionen managen
Als ich angefangen habe, über diesen Artikel nachzudenken, ging mir Frank Sinatra’s Welthit nicht mehr aus dem Kopf: »I did it my way«. In diesem Song steckt beeindruckend viel Wahres. Nämlich, dass es sich lohnt, die Dinge auf seine eigene, ganz individuelle Art zu lösen. Womit ich bei dem zentralen Gedanken dieses Textes bin: Der Erkenntnis, dass es echte Konkurrenz eigentlich gar nicht gibt.
Warum ist Konkurrenzdenken so ausgeprägt?
Die evolutionäre Idee des Darwin’schen »Survival of the Fittest« legen wir nicht nur in der Natur zugrunde. Für lange Zeit wirkte sie vor allem im Business-Kontext fast ausschließlich.
Die Überzeugung, dass wir uns gegen andere durchsetzen müssen, um erfolgreich zu sein, ist nach wie vor weit verbreitet. Nur der Stärkste, nur die Beste kann es schaffen. Diese Haltung führt zwangsläufig zu starker Konkurrenz – basierend auf der Grundannahme, es sei nicht genug für alle da…
Was bedeutet es, die Welt so zu sehen? Bringt man es auf den Kern, geht es im Leben um Aufmerksamkeit. Wir Menschen sind soziale Wesen und definieren uns über das Interesse und das Mitgefühl unseres Umfeldes und über den Raum, den wir besetzen können.
Schon in der Familie lässt sich bei Geschwistern das Rivalisieren um die Gunst der Eltern beobachten. Nicht umsonst hat die Psychologie den Begriff »Entthronungserlebnis« geprägt. (Gemeint ist damit die herausfordernde Phase im Leben Erstgeborener, wenn das Geschwisterkind kommt und die Aufmerksamkeit plötzlich neu verteilt wird. Man weiß, dass Eltern das größere Kind mit viel Liebe und Verständnis begleiten müssen, um die aufkommenden Verlustgefühle und existentiellen Ängste gut und gesund integrieren zu können.)
Das kompetitive Mindset
Natürlich lassen sich auch im Berufsalltag Faktoren ausmachen, welche Konkurrenz befeuern. Selbstständige bemühen sich – je nach Branche – um denselben potentiellen Kundenstamm.
In Unternehmen, wo man sich auf begrenzter Fläche täglich begegnet, verfolgen häufige mehrere Kolleg*innen ähnliche Karrierepläne und gleiche Ziele. Nicht alle können gleichzeitig aufsteigen, auf die gleiche Position befördert werden.
So entsteht schnell eine klassische Konkurrenzsituation begleitet von Gefühlen wie Neid und Missgunst. Letztere bremsen nicht nur den eigenen Elan aus, sondern absorbieren auch viel wertvolle Energie, welche dazu eingesetzt werden könnte, etwas zu erschaffen.
Permanenter Vergleich – eine ebenso menschliche Regung – ist ein Quell für chronisches Unwohlsein. Warum hat der andere etwas, das ich nicht habe? Warum beachtet der Chef vermeintlich die Ideen und Konzepte der Kollegin mehr als die eigenen? Wer ständig den Vergleich mit anderen sucht, wird immer etwas finden, worauf er eifersüchtig ist. Das ist der Königsweg, um sich selbst immer mehr aus dem Blick zu verlieren und sich auf Dauer erheblich zu schwächen und zu demotivieren.
Es liegt uns Menschen grundsätzlich nahe, in Konkurrenz um Aufmerksamkeit, Positionen oder Erfolge zu treten.
Jahrzehntelang haben Unternehmen auf genau dieses kompetitive Prinzip gebaut. Nicht wenige Führungskräfte behaupten sogar noch heute, gesunder Wettbewerb unter Kolleg*innen erhöhe die Leistung. Nach dem Motto »Konkurrenz belebt das Geschäft« werden intern Preise ausgelobt, damit die Mitarbeiter*innen gegeneinander antreten und sich wechselseitig zu Höchstleistungen hochschaukeln. Als Belohnung für die Besten winken die ausgelobten Inhouse-Pokale und jeder, der keinen auf seinem Schreibtisch stehen hat, gilt als Mitarbeiter*in zweiter Klasse.
Kann das wirklich sein? Soll es eine nachhaltige Erfolgsstrategie sein, sich in ständiger Konkurrenz zu anderen zu sehen? Sind »Kampf«, »Macht« und »Wettbewerb«, kurz das darwinsche Prinzip von »Survival of the fittest« noch zeitgemäß?
Kooperation statt Konkurrenz – Erfolg braucht viele Kompetenzen
Ich sage ganz klar »Nein« – denn Konkurrenz führt in eine Sackgasse.
Um das zu verdeutlichen, komme ich nochmals auf den Ausgangsgedanken zurück: Starke Konkurrenzorientierung geht immer von der Annahme aus, dass nicht genug für alle da sei. Also von einem Mangel.
Aber ist das wirklich so? Ist das die Realität? Gibt es das Privileg eines angemessenen Platzes nur für einige wenige? Oder wird in Unternehmen, die auf eine Kultur der Ellenbogen setzen, vielmehr künstlich ein Trugbild aufgebaut, um die Teams zu Höchstleistungen anzuspornen?
Ganz abgesehen davon, dass es ein fragwürdiger Umgang mit den eigenen Ressourcen ist, sich immer auf andere, statt auf den eigenen Weg zu konzentrieren – wie wäre es, von der Idee auszugehen, dass genug für alle da ist?
Denn die Welt ist nicht polar und es geht selten um 100 oder Null. Ganz im Gegenteil. Das Leben kennt so viele Facetten, es ist meist so viel mehr möglich. Es gibt viele verschiedene Wege und vor allem Räume. Räume für ganz individuelle Lösungen und Herangehensweisen.
Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass in Anbetracht der Vielfalt das Denken in Extremen wie »Hopp oder Top« eine Illusion ist.
Niemand muss sich also stetig selbst optimieren, mit dem Ziel, andere zu übertrumpfen. Es macht keinen Sinn, jemanden zu imitieren, den wir bewundern oder beneiden. Entscheidend ist es, das Eigene zu entwickeln, den Fokus auf sich selbst zu legen.
Also weg von der Selbstoptimierung – hin zur Persönlichkeitsentwicklung.
Dazu fällt mir ein schönes Zitat von Wesley Clark, ehemaliger NATO Commander ein: »I’ve never met an effective leader who wasn’t aware of his talents and working to shapen them.«
In einer Kultur der Fülle gibt es genug Klienten für alle Selbstständigen und genug gute Positionen für alle, die in Unternehmen angestellt sind. Hinter forciertem Konkurrenzdenken steht oft auch eine einfache Weltsicht – eine Perspektive von »Alles oder Nichts«. Dabei liegt sooo viel dazwischen, so viele Chancen und Möglichkeiten. Warum also nicht auf die Fülle vertrauen?
Fülle ist überall
Es ist also genug Platz, Raum, Aufmerksamkeit für alle da. Als Führungskraft hat man immer die Wahl, welche Art von Kultur man schaffen will: eine, die über Druck, Kontrolle, Angst und Konkurrenz funktioniert oder ein Umfeld, in dem echtes Vertrauen entsteht. Eine vertrauensvolle Atmosphäre, die Teamspirit, Diversität und Innovation fördert. Im übertragenen Sinne: ein Schutzraum für gute Ideen.
Erst darin ist es möglich, dass Menschen sich gemäß ihren Talenten und Stärken entwickeln und die Rollen übernehmen, die sie besonders gut und effizient ausfüllen können. Effektive Führungskräfte wissen um sich selbst, umgeben sich mit den richtigen Menschen und setzen auf deren individuelle Fähigkeiten.
Genau hier sehe ich den wesentlichen Punkt: Denn jede von uns ist einzigartig. Mit ganz besonderen Stärken. Legt man das zugrunde, erkennt man schnell, wie unsinnig – und vor allem energiezehrend – es ist, die anderen überholen zu wollen.
Die weit verbreitete Management-Doktrin, dass man seine Schwächen korrigieren sollte, halte ich für sinnlos. Damit meine ich nicht, dass wir uns nicht weiterentwickeln sollten. Mich stört nur die Fixierung auf die Fehler, also auf das, was man nicht kann. Vielmehr geht es doch darum, die eigenen und damit einzigartigen Stärken zu erkennen, zu leben und damit seinen individuellen (Erfolgs-)Weg zu gehen.
Kraft, Authentizität und damit Ausstrahlung und Erfolg entstehen durch »Selbstbewusstsein« im Wortsinn. Wer sich seiner Selbst bewusst ist, wer seine Stärken wie Schwächen realistisch einschätzen kann und auf seine individuellen Talente baut, hat keinen Grund mehr, irgendeine Konkurrenz zu fürchten – oder überhaupt erst zu suchen.
Wer in dem Vertrauen handelt, einen guten Platz zu haben und weiß, was er kann, muss nicht länger nach den anderen schielen und sich messen.
Diese Sicherheit und persönliche Stabilität führt häufig ganz selbstverständlich zum Erfolg.
Gelingt eine solche Haltung, befördert das eine Unternehmenskultur voll von:
- Vertrauen
- Transparenz
- und Auseinandersetzung.
Kurz: ein kooperatives Mindset. Destruktives Silodenken, Informationshoheit und das Bedürfnis, das Erreichte verteidigen zu müssen, finden hier keinen Nährboden.
Authentisch sein und anderen Erfolge gönnen
Jeder trägt auf seine eigene Weise zum Gelingen bei. Wer auf sich selbst vertraut und die Fülle sowie den Reichtum der eigenen Möglichkeiten erkennt, lebt und handelt viel entspannter. Und ist erfolgreicher.
Es muss keine wertvolle Zeit für sinnlose Grabenkämpfe verschwendet werden. Mit einem optimistischen, offenen Blick auf das Business, erkennen wir Chancen und stimmige Situationen viel klarer.
Wir können diese ergreifen und mit Gleichgesinnten ins Gespräch kommen. Denn die individuelle Ausstrahlung eines selbstbewussten Menschen, der in Harmonie lebt, ist das überzeugendste Argument.
Wer in der Kraft der eigenen Talente handelt und in die Entwicklung der individuellen Stärken investiert, muss sich nicht mehr künstlich verkaufen. Man zieht eben wegen der gelebten Authentizität, die Menschen an, die wirklich passen – den sprichwörtlichen eigenen »Tribe« oder »Soulclients«.
So bilden sich starke Netzwerke, die sich gegenseitig unterstützen und stärken. Selbstständige finden die Wunschklient*innen und Unternehmen die Mitarbeiter*innen mit dem idealen “Cultural Fit”. Der Schlüssel zu all dem heißt: Authentizität. Das zeigt sich schon jetzt flächendeckend, je mehr die Netzwerkökonomie Gestalt annimmt.
Nicht andere übertrumpfen, sondern den eigenen Weg gehen
Immer mehr Menschen entdecken für sich, dass der ängstlich-vergleichende Blick auf den anderen, völlig unnötig ist. Viele starke Frauen haben sich längst dazu entschlossen, andere talentierte Frauen zu fördern und ihnen auf ihrem Weg zum Erfolg zu helfen.
#Sisterhood ist das Stichwort für ein »Ja« zur Solidarität und zum Miteinander. Jede von uns hat täglich Einfluss darauf. Wenn Frauen sich gegenseitig unterstützen, sich Sicherheit geben und nicht miteinander rivalisieren, können wir Power-Zirkel aufbauen und auch dazu beitragen, den Kulturwandel in Unternehmen voranzubringen. Leiden wir nicht alle gleichermaßen unter Ungleichheiten wie der Gender Pay Gap oder den »gläsernen Decken«?
So ausgestaltet, ist die weibliche Art der Unternehmensführung vertrauensvoll und großzügig. Die Erfolge der anderen sind motivierend und ein Antrieb, eigene Ziele anzupacken. Wer optimistisch denkt, geht gern auf andere zu. Neue Kontakte erweitern unseren Horizont und eröffnen ungeahnte Optionen. Wer weiß, dass der Erfolg anderer die eigenen Leistungen nicht schmälert, kann weiterhin selbstbewusst auftreten. Gemeinsam im Team sind wir immer stärker.
Setze auf Schwesternschaft statt auf Durchsetzung. Wenn jede das macht, was sie am Besten kann, in der Kraft der eigenen Talente ist, können wir gemeinsam etwas bewegen.
Sich selbst treu sein, auf sich achten und negative Emotionen managen
Bei all dem will ich nicht kleinreden, dass Konkurrenzgefühle oder Eifersucht und Neid etwas Menschliches sind. Jede von uns kennt es, jede von uns muss manchmal damit umgehen. Meist haben diese unangenehmen Emotionen jedoch mehr mit dem Eigenem als mit dem Gegenüber zu tun.
Es hilft, Verantwortung für diese Gefühle zu übernehmen und sich zu fragen: Wo fühle ich mich innerlich ungenügend? Wo suche ich mit Eifer? Jede von uns hat starke und schwächere Momente – und letztere gilt es zu integrieren. Das ist keine einfache Aufgabe und manchmal fehlt im ersten Moment die Energie für diesen Bewusstwerdungsprozess sowie das Management der eigenen Tiefen.
Wenn man weiß, dass die eigene innere Haltung unsere Vorstellung von der Welt und die Einschätzung von Situationen mitbestimmt, geht der Weg meist nach innen.
Wo nagen an mir insgeheim Selbstzweifel, die mich dazu bringen, andere im Außen zu beneiden oder auf ihre Erfolge eifersüchtig zu sein? Im nächsten Schritt geht es darum, an diesen »wunden Punkten« das eigene Selbstbewusstsein zu stärken und wieder Vertrauen in das eigene Können, die individuelle Größe und Einzigartigkeit zu bekommen. Nur, wer sich selbst liebt und vertraut, kann andere lieben und von Herzen gern mit anderen starken Frauen zusammenarbeiten. Und letztlich klar erkennen, dass es echte Konkurrenz gar nicht gibt.
Welche Erfahrungen hast du mit Konkurrenzgefühlen gemacht?
Hast du Tipps für mehr Kooperation und Networking?
Ich freue mich auf deine Einsichten und Ideen.